Das alte Tierleben taugt nicht mehr, um sie zu erkennen: Nerds sind vielleicht die menschliche Gattung, die sich in kurzer Zeit am rasantesten verändert hat und immer noch verändert. Was ist geblieben vom soziophoben Computerfreak?
.

Nerds gehen zum Beispiel mit Dinosauriern ins Bett. (Symbolfoto.)
Früher war das einfach: Nerds hatten Akne, trugen eine riesige Brille, steckten ihr völlig danebenes T-Shirt in die Hose und verstanden keinen der Witze über sie. Dieser gesellschaftlichen Gruppe, die sich durch immenses Können im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und an Computertastaturen hervortat, aber im Zwischenmenschlichen immer wieder voll daneben griff, ist in den letzte Jahren ein gewaltiger Wandel geglückt.
Die Mathestreber von früher bauen heute unsere Welt. Dass es soziale Netzwerke gibt, dass man im Internet einkaufen kann und dass dein Auto dir verzeiht, wenn du zu schnell in die Kurve fährst, verdankst du einem Nerd.
Dass Computer, Smartphone und Navi eine „idiotensichere“ Benutzeroberfläche haben, ist keine selbstverständliche Entwicklung. Es ist ein Entgegenkommen gegenüber uns Idioten.
Die Nerds haben den ursprünglich mal abwertenden Begriff für ihre Gattung entschärft, indem sie „Nerd“ einfach zu einer Schmeichelei umgedeutet haben. Heute möchte jeder ein bisschen Nerd sein. Hipster ziehen sich mit Absicht so an, als würde ihnen morgens Oma die Sachen raus legen. Mit Science-Fiction muss man sich heute auch auskennen, wenn man in der Schule nur in Sport gut war. Und sich keinen Freund zu halten, den Computer auf Anhieb verstehen, wäre schlichtweg blöd.
Aber die Nerdinnen und Nerds werden in der Mitte der Gesellschaft nicht bloß geduldet, weil sie so unentbehrlich geworden sind. Ihre Verantwortung für die Moderne und die späte Anerkennung ihres Genies hat sie auch verändert. Sie sind selbstsicher geworden und geben den Ton an. Ein Programmierer muss schon lange nicht mehr verklemmt sein. Popkultur ist für ihn kein Buch mit sieben Siegeln, wie früher in der Schule. Im Gegenteil, die Nerds bestimmen, was Pop ist. Egal, worüber du dich ganz passabel auf einer Party unterhalten kannst – der Nerd hat wahrscheinlich ein eigenes Blog zum Thema. Wahrscheinlich ist er auch noch lässig und sieht gut aus.
Wenn dich jemand bei deinem Hobby ertappt und sagt: „Tim-und-Struppi-Fanfiction, das ist ja ganz schön nerdig!“, lächelst du und nickst und nimmst das Kompliment gerne an. Aber wenn du mal ehrlich bist: Du bist leider kein Nerd. Nein, du hättest Facebook nie erfinden können. Du könntest dich nicht mal mit deinem eigenen W-LAN verbinden, wenn nicht ein Nerd einen Assistenten programmiert hätte. Gut, dass die Nerds uns die Witze von früher nicht übel nehmen.
Sozialkompetenz:
- #bcfrsome2012: Martin beim BarCamp Freiburg
- Twitter: Was schreiben die da eigentlich?
- fudder: Social TV – Nie wieder alleine fernsehen
- fudder: Interview mit Cyrus Farivar: „Nicht das Internet verändert die Gesellschaft, sondern die Kultur formt das Netz“
- fudder: Welcher Facebook-Typ bist du? Eine kleine Naturkunde für das Social-Network-Biotop
- fudder: Meine Meinung: studiVZ ist die DDR des Internets
- fudder: Papst-Ticker: Der Papst und soziale Netzwerke
Pingback: Ein Logo für das Internet: | martinJost.eu