– Wirklich? Die Analyse stammt von Cyrus Farivar. Der freie Technologiejournalist und Produzent/Moderator der Sendung «Spectrum» in der Deutschen Welle ist Autor des Buches «The Internet of Elsewhere».
2011 habe ich ihn für fudder.de interviewt und unter anderem nach der unterschiedlichen Einstellung von Amerikanern und Deutschen zum Datenschutz gefragt.
Hier ein Auszug aus dem Interview mit den Fragen, die gerade rund um den weltweiten Abhörskandal aktuell werden. Das vollständige Interview liest du auf fudder.de.
Martin Jost: Sind wir Deutschen besonders paranoid, weil wir gegen den elektronischen Perso gewettert haben und uns gegen Google Street View wehren?
Cyrus Farivar: Das ist ein Beispiel für meine These, dass die Kultur vor Ort die Technologie formt und die Themen bestimmt, die vordergründig diskutiert werden: Als Kalifornier war es für mich sehr interessant, diese Diskussion in Deutschland zu beobachten. In den USA gibt es Street View seit einigen Jahren und niemand kümmert sich deswegen. Ich benutze es, um Leuten, die mich besuchen wollen, das Haus zu zeigen, in dem ich wohne. Es stört mich nicht.
Hier in Deutschland haben die Leute ein Problem damit, während ihnen andere Eingriffe in ihre Privatsphäre egal sind. Zum Beispiel melden sie sich gleich nach einem Umzug bei der Stadtverwaltung und lassen ihre neue Adresse in eine Akte eintragen. Für Deutsche ist das ganz normal. In Amerika gibt es das nicht und wenn man die Amerikaner dazu zwingen würde, wären sie sehr besorgt und würden es als großen Angriff auf ihre Privatsphäre verstehen.
Ist der Unterschied, dass Deutsche eher Unternehmen misstrauen, aber nicht der Regierung, und in den USA ist es umgekehrt?
Ja, es scheint mir jedenfalls so. Deutsche vertrauen eher ihrer Regierung und vielleicht hat das damit zu tun, dass sie seit 30 oder 40 Jahren Datenschutzgesetze haben. In den USA gibt es weder diese Gesetze noch staatliche Datenschutzbeauftragte auf Bundes- sowie Landesebene.
Ein unseriöses Gedankenspiel: Was wäre, wenn der eiserne Vorhang nie gefallen wäre und die DDR bis ins heutige Internetzeitalter existierte?
Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann. Ich schätze, wenn die DDR als strenger, autoritärer Staat weiter existiert hätte, würde sie vielleicht dem Iran ähneln. Gleichzeitig würde in dieser Welt ja noch die Sowjetunion existieren und die EU und der Ostblock würden sich vielleicht mit ihren jeweiligen Ressourcen größere Schlachten um die Freiheit des Internets liefern.
Ich glaube, es gibt ein allgemeines, vorhersehbares Muster und das ist, dass autoritäre Regime immer das Internet so gut sie können nutzen werden, um ihre Sicht der Dinge zu verbreiten – wie zuvor Radio, TV und Presse. Ich weiß nicht, was die kritische Masse ist, die einem Regime gegenüber treten kann. Ich glaube, entscheidend ist weniger die Teilhabe – Iran ist wie gesagt zu 35 Prozent ans Internet angeschlossen – als die Gewalt, die die Regierung ausübt. Wie war das noch mal mit der „Twitter-Revolution“? Die Leute wurden verprügelt und eingeschüchtert und gaben auf. Die Islamische Republik besteht fort. Nicht so in Tunesien oder Ägypten, aber sehr wohl in Libyen, wo ein anhaltender Bürgerkrieg losbrach.
Alle Fragen und Antworten liest du auf fudder.de.