Martin kuckt «Das weiße Band»

«Das weiße Band» spielt in einem Dorf 1917/18, in alten Häusern, zum Teil in engen niedrigen Katen, die eher Höhlen ähneln als Wohnungen. Die Sets sind ganz in klarem, glattem Schwarzweiß ohne grobe Körnung gefilmt. In einer Zeit, wo Schwarzweiß keine technische Konvention ist, sondern eine Entscheidung, wirkt es prätentiös künstlerisch und betont intellektuell. Michael Haneke nennt in einem Interview mit Jeff Goldsmith (hörbar im Creative Screenwriting Podcast) zwei Gründe für seine Entscheidung, in Schwarzweiß zu filmen: Erstens erleichtere es dem Publikum den Zugang zu einer Zeit, die es zwar von Fotos, aber auch nur ohne Farben kennt und zweitens entfremde es moderne Zuschauer von der Erzählung. Die Erzählung des alten Lehrers dürfe nicht für bare Münze genommen werden, immerhin sagt er selbst eingangs, dass er sich keineswegs an alles richtig erinnern muss. Ingmar Bergmans Weg war in «Fanny und Alexander», einem visuell vergleichbaren Kostümfilm, Szenerien in fahlen Farben naturalistisch zu filmen.
Wir haben also doch ganz gute Schauspieler auf Deutsch, wenn sie ein Drehbuch bekommen, das ihnen erlaubt natürlich zu sprechen (nicht wie in «Tatort») und mit der nötigen Zeit zu spielen.
Michael Hanekes «Das weiße Band» ist ein Stillleben über ein deutsches Dorf 1917 und 1918, in dem die Kindheit unter der Autorität der Alten schmerzt und wo Arbeit noch hart ist. Ein paar Verbrechen finden statt, Menschen werden verletzt und jeder ist mit seinen eigenen Geheimnissen so sehr beschäftigt, dass er nicht mal daran denken kann, sich für die der anderen zu interessieren. Im Voice-Over erzählt uns der ehemalige Dorflehrer von den Ereignissen um die Zeit seiner Verlobung.
Der Erzähler formuliert explizit die Agenda, verständlich machen zu wollen, warum gewisse Gräuel von den Menschen in diesem Land verübt werden konnten. Meint er damit das Heranwachsen der späteren Nazi-Generation unter dem Rohrstock der Väter? Weiterlesen