Kann uns keiner erzählen, dass wir keine Ratte in einem Labor wären. Freiburg ist eigentlich gar keine Stadt, sondern eine Versuchsanordnung. Freiburger sind eigentlich keine Bürger, sondern eine Stichprobe, die unter ständiger Beobachtung steht. Freiburg ist nichts anderes als ein Experiment aus der praktischen Politikwissenschaft. So verdreht, überzeichnet und unwahrscheinlich, wie alles in Freiburg passiert, kann es sich nur um ein Experiment unter methodisch überzogenen Bedingungen handeln. Weiterlesen
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Wir waren zuerst orange
Freiburg. (mjeu/majo) Orange ist die Farbe der Jugendbeteiligung. Engagierte Jugendliche aus ganz Deutschland einigten sich darauf vor fünf Jahren auf einem von der Servicestelle Jugendbeteiligung in Berlin aufgezogenen Kongress.
Junges Freiburg ist schon seit 1998 orange. Wir wussten: Für Öffentlichkeitsarbeit und für einen Wahlkampf, in dem man Faltblätter und Broschüren an die Freiburger verteilt, die man von sich überzeugen will, braucht man ein Logo und eine Farbe und eine eigene Schriftart und einen bestimmten, wiedererkennbaren Stil – kurz, ein Corporate Design.
Die Macher von 1998 gingen alle Parteien durch, die es schon gab. Die SPD benutzte immer Rot. Die FDP kam gelb daher. Die Grünen logischerweise pink. (Nee, Quatsch. Also grün.) Die CDU benutzte nicht das Schwarz, mit dem sie immer identifiziert wird, sondern so ein bayerisches Blau. Die Freien Wähler sind auch irgendwie blau. Und die Frauenliste war lila.
Viele Farben blieben also nicht übrig, Junges Freiburg entschied sich für Orange. Orange ist voll Energie und leuchtet, also eine toll jugendliche und Aufräum-Farbe. So lange vor der »orangenen Revolution« in der Ukraine gab es noch keine starken politischen Assoziationen mit der Farbe Orange, außer vielleicht »Holland«.
Ab 2004 gab es dann in der CDU plötzlich einige Farbverschiebungen bundesweit. In der Kommunalwahl benutzte die Partei eigentlich alle Farben – auf den Kopf-Plakaten ihrer Liste alle möglichen verschiedenen. So trat die CDU dann auch hier und da orange auf. Leicht mit Junges Freiburg zu verwechseln waren die aber zum Glück trotzdem nicht, wir wir waren mit unserem Taschengeldwahlkampf weit davon entfernt, uns Plakate mit Fotos von all unseren Kandidaten leisten zu können. Unser erster Einfall war, große Ausdrucke unserer Internetadresse auf orange gefärbtem Papier auf Pappe zu kleben und an die Laternenmaste zu hängen. Die Idee war natürlich, dass Leute unsere Internetadresse aufschlagen und sich alle nötigen Informationen im Netz besorgen. Sparsame Idee, blöde Idee. Wir hatten noch nicht alle »Plakate« aus farbigem Kopierpapier aufgehängt, da hatte der Regen schon die ersten auf den Boden gewaschen. Merke: Sparen ist gut, solange du nicht am Leim sparst.
Wir kratzten noch ein wenig Geld zusammen („Mami, kann ich ein bisschen Geld bekommen?“ – „Willst du dir ein Eis kaufen?“ – „Nein, Wahlplakate drucken.“) und entschieden uns doch für Poster aus der Druckerei. Zweifarbig, Schwarz und orange, ein einziges Design et voilá, der Wiedererkennungseffekt war gewaltig, so dünn unsere Plakate auch verteilt waren. Unsere Poster zeigten eben keine Gesichter im Stil von schlechten Passfotos. Unsere Plakate bildeten einen Stimmzettel ab, der für jede Partei das Durchschnittsalter der Liste vermerkte. – Jugend als Argument. Das war ganz sicher nicht sehr tief und vor allem sagte es ja noch nicht viel über unsere Politik aus. Aber wo darf man den bitte plakativ sein, wenn nicht auf Plakaten. Der gründlichste Plakatleser lässt es die zwanzig Sekunden auf sich wirken, die er an der Ampel steht.
Das Argument »jugendlich« zog schließlich so gut, dass auch unsere Konkurrenten es sich zu eigen machten. Ich trat bei einer Podiumsdiskussion des Stadtjugendrings im Katholischen Lehrlingswohnheim in der Kartäuserstraße auf und der Disputant von der FDP neben mir sagte: „Wir treten mit der zweitjüngsten Liste zur Gemeinderatswahl an.“ – Der Abstand zu Junges Freiburg betrug gute 20 Jahre.
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