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Inventur

Zum Mitnehmen

Freiburg • martinJost.eu


Kennt ihr diese Kartons, die mit „Zu verschenken“ oder „Bitte mitnehmen!“ beschriftet sind und die vor Häusern stehen, wo jemand ausmistet oder umzieht oder gestorben ist? Ein Naturgesetz sagt, dass ich an solchen immer nur vorbei komme, wenn sie schon aller guten Dinge entledigt sind. Oder nur an solchen, in denen nie etwas Gutes drin lag.

Bis gestern.

Zum Mitnehmen

Auf einem einzigen Spaziergang kam ich in einer einzigen langen Straße an zwei Kisten vorbei, die Sachen verschenkten, die ich wert fand, meine Tasche mit ihnen zu beschweren. Eine Inventur: Weiterlesen

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Martin kuckt »Cruel Intentions«

Martin Josts Kulturkonsum

Freiburg. (mjeu/majo)• »Cruel Intentions« ist eine Übertragung der Romanvorlage »Les liaisons dangereuses« (»Gefährliche Liebschaften«) in die Gegenwart. Auf Deutsch heißt er »Eiskalte Engel«, was dämlich ist. Aber der Film ist sehr cool. Der Soundtrack mit Musik von Placebo, Fatboy Slim, Blur, Counting Crows, Skunk Anansie, Aimee Mann, Faithless und Andrew Oldham Orchestra lässt allein beim Hören einen coolen Film im Kopf ablaufen.

»Cruel Intentions« ist das Erstlingswerk seines Drehbuchautors und Regisseurs Roger Kumble und 1999 waren Sarah Michelle Gellar, Ryan Phillippe und Reese Witherspoon auch noch junge Schauspieler. Sie spielen reiche New Yorker Teenager, die sich durch sexgetriebene Intrigen Ruf und Stimmung kaputt machen. Gellar und Phillippe spielen die Stiefgeschwister Catherine Merteuil und Sebastian Valmont (die Namen sind aus der Romanvorlage erhalten geblieben), die sich verschwören und gegenseitig beim Zerstören von Persönlichkeiten zur Hand gehen. Motor des Films ist eine Wette zwischen den beiden angeheirateten Geschwistern, deren Eltern im Film überhaupt keine Rolle spielen: Wenn Valmont die Tochter des neuen Internatsdirektors rumkriegt, die in einer Art »Bravo Girl« Keuschheit bis zur großen Liebe gelobt hat, darf er mit seiner Stiefschwester Merteuil schlafen. Im anderen Fall bekommt sie sein Auto. Am Ende stellt sich heraus, dass Merteuil die Stärkere ist, was intrigante Gewalt angeht. Valmont ist dafür moralischer Sieger, auch wenn er drauf geht und ihm das nicht mehr viel nützt.

Zum ersten Mal gesehen habe ich »Cruel Intentions« 2001, in einem Klassenfahrt-Bus. Im gleichen Sommer habe ich Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos’ »Liaisons dangereuses« gelesen und sehr gemocht. Es war, glaube ich, der erste Briefroman, den ich gelesen habe und ich mochte diese Form. Positiv fand ich noch die subtile Gesellschaftskritik, derzufolge die reichsten Menschen gleichzeitig die schmutzigsten Schweine sind. Sie spielen miteinander, als wären sie sich nichts wert – ein Thema vieler guter Bücher und Filme, »Basic Instinct« beispielsweise.

Ich wollte »Cruel Intentions« schon lange mal wieder sehen. Im Fernsehen habe ich es mal versucht, aber da wird er – zumindest zur Prime Time – brutal zerschnitten. Nicht, weil es auch nur eine einzige Nacktszene gäbe, aber wegen der expliziten Sprache. Ein Beispiel ist die Szene, in der Catherine Sebastian die Wette unterbreitet. Sie bietet ihm an, dass er endlich mit ihr schlafen kann – in ihrer arroganten Einbildung der einzige unerreichbare und sein größter Wunsch – und er sagt nein: So viel ist sein historischer Jaguar Roadster nicht wert. Schnitt: Valmont, wie er der Kamera entgegen läuft. In seinem Rücken sitzt Merteuil auf ihrem Bett. Sie sagt: „You can put it wherever you want.“ Er stockt und denkt noch einmal darüber nach, bevor er sich umdreht und ihr die Hand auf die Wette gibt. In der TV-Ausstrahlung, die ich mal auf Pro7 zu sehen versucht habe, fehlt ihr Spruch. Er sagt ebenfalls nein zur Wette, läuft weg und stockt unvermittelt. Ohne erkennbare Motivation macht er kehrt und willigt doch ein. Bescheuert.

»Cruel Intentions« hat zehn Jahren standgehalten, finde ich. Er hat eine klare und leicht lesbare, aber ausgefeilte Bildsprache. Alle Einstellungen begünstigen, dass man der komplexen Story folgen kann und die dynamische Stimmung der Handlung gleichzeitig nicht holpert. Die Schauspieler scheinen zu Hause zu sein in ihren boshaften Rollen und bringen pointiert ihre krassen Sprüche.

Die größte Schwäche des Films ist das Finale. Nicht das absolute Ende mit der Genugtuung gegen Catherine, sondern das Finale auf der Straße neben dem Central Park. Es versucht, die Ereignisse am Ende vom Buch eins zu eins auf den Handlungsort New York City zu übertragen und dabei muss ja noch Valmont irgendwie unnötig sterben. Schlecht, schlecht, schlecht. Hier ist ein Hollywoodfilm, dem ein Happy End besser getan hätte als sein tatsächliches.

Mir fallen Filme ein, die gut zu »Cruel Intentions« passen, vielleicht unter dem Label eines »Hormonal Turn of the Millennium«-Kanons: Baz Luhrmans »Romeo + Juliet« ist von ähnlichem visuellen Typ, »Igby goes down« hat den gleichen Blickwinkel auf New York City und seine zynische Upper Class (und in beiden spielt Claire Danes mit) und »Basic Instinct« (okay, der ist schon aus den frühen Neunzigern) zeichnet gleich gut böse Menschen, die einander als Marionetten einzuspannen versuchen.

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