Durchfuttern. (Eine Geschmackskritik.)

Tiramisu von Aldi
Tiramisu aus dem Aldi-Kühlregal
Wichtigste Zutaten: Mascarpone, Kaffeelikör
Grenzwertig: nur 0,7 % Mascarpone (mutmaßlich stickstoffaufgeschäumt); 1,5% Alkohol
Preis: 1,29 € für 2 x 100g
Freiburg. (mjeu/majo)•• Dieses Dessert macht jung. Als es bei Aldi Süd neu ins Sortiment kam, war ich 21 oder 22 Jahre alt. Ich kaufte es zusammen mit Brot, Aufstrich, Gemüse und Milch, also ganz normalen Abendbrotkomponenten und ohne etwaige verwerfliche Produkte. An der Kasse sagte die Verkäuferin: »Ich muss mal bitte Ihren Ausweis sehen.« Mir war überhaupt nicht klar, warum sie das Dokument sehen wollte. Ich hatte doch nur Abendessen und Nachtisch aufs Kassenband gelegt. Dachte sie, ich hätte irgendwas geklaut? Sah ich einer Person ähnlich, die Hausverbot hatte? Das waren meine ersten Gedanken, ganz im Ernst.
Die Verkäuferin sah den verständnislosen Ausdruck in meinem Gesicht und fügte hinzu: »‘S is wegen dem Tiramisu. Da is Kaffeelikör drin.«
»Ach so«, sagte ich und musste grinsen, als ich ihr meinen Ausweis zeigte. Sie starrte auf mein Geburtsdatum und rechnete angestrengt. »21«, sagte ich.
»Ah, 21. Ja, dann dürfen Sie das kaufen.«
Die Verkäuferin war eigentlich eine sehr nette Frau. Der Typ Oma, der einem einen Bonbon gibt, wenn man sie besucht hat – aber trotzdem natürlich gewissenhaft und streng.
Meine Theorie ist, dass die Aldi-Mitarbeiter auf eine Schulung hatten gehen müssen, auf der ihnen die neuen Produkte vorgestellt wurden und dass diese Fortbildung sie sensibilisiert hat für den Kaffeelikör im Nachtisch, der zwar nur 1,5 Prozent Alkohol beisteuert, aber als Branntwein trotzdem erst an Über-18-Jährige verkauft werden darf. Großartig.
Der Abschuss war der Schlusssatz der Verkäuferin, als ich meine Sachen schon eingepackt hatte: »Aber nicht alles auf einmal essen! Meine Kollegin sagt, der sei ziemlich stark.«
Ich nickte freundlich und sagte was von mit Freunden teilen. Zu Hause habe ich dann erst recht beide Becher am Stück verdrückt. Ist ja auch bloß etwas mehr als ein Kaffeelöffel voll in jedem der runden Schälchen.
Nascht man gleich einen gehäuften Löffel auf einmal, brennt das Tiramisu ganz schön im Hals. Nicht des Likörs wegen, der ihm eine große Schwere verleiht, sondern des penetranten Zuckergehalts wegen. Es ist so süß, dass es wie ein Mars-Riegel brennt und dann noch ein bisschen.
Ansonsten hat Aldi-Tiramisu die Nachteile von jedem fertigen Tiramisu: es ist schon ziemlich durchgeweicht im Kühlregal und das Bisquit ist in der Konsistenz vom Mascarpone-Quark nicht mehr richtig zu unterscheiden. Das kann man positiv formulieren: Es schmilzt und zerläuft eher als dass es sich essen lässt.
Oder: Ein Löffel von der oberen Schicht fühlt sich im Grunde genau so an wie ein Löffel von weiter unten.
Abschließend möchte ich noch sagen: Nein, ich zähle ein Tiramisu natürlich nicht als Mahlzeit. Nur als Nachtisch. Aber trotzdem: 100g pro Becher sind einfach auch noch kein ganzer Nachtisch. Das riesige Verhältnis von Verpackung zu Inhalt, das dabei raus kommt, wäre ein weiterer Grund, mehr in einen Becher zu packen.
Beim letzten Mal, als ich an einer Supermarktkasse nach meinem Ausweis gefragt wurde, war ich übrigens 23. Allerdings wollte ich da keinen Branntwein erwerben, sondern bloß Wein. Ich wäre also sieben Jahre zu alt gewesen um es nicht gedurft zu haben. Wenig macht einen so jung wie Nachtisch oder an einem Freitagabend im einzigen REWE, der bis 22:00 Uhr auf hat, einzukaufen.