Monopoly auf Rügen: «Wem gehört mein Dorf?» beim DOK.fest @home

Göhren auf Rügen – ein schön gelegenes Dorf, das sogar Caspar David Friedrich gemalt hat.

Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung hat ein Investor begonnen, hier Immobilien zu kaufen und den Ort nach seinen Vorstellungen in ein saubergelecktes Urlaubsressort zu verwandeln. Die „Provinzposse“ hat es 2016 sogar in die «ZEIT» geschafft, wie ein Protagonist aus «Wem gehört mein Dorf?» stolz belegt.

Christoph Eder, der in Weimar und Babelsberg studiert hat, kommt in sein Heimatdorf zurück und wundert sich. Auf den allerersten Blick ist die Entwicklung von Göhren reine Geschmackssache: Das Gehölz, in dem Eder als Kind gespielt hat, ist jetzt halt abgeholzt für ein Hotel, das Meerblick will. Neubauten aus schwarzem Klinker, der so gar nicht zum Stil der traditionellen Häuser passt? Nun ja. Eine Bürgerinitiative setzt sich für den Naturschutz ein. Sollen etwa auch die grünen Flächen rund ums Dorf bebaut werden? Der Blick, den schon Caspar David Friedrich malte?

Etwas ist faul im Ostseebad Göhren

Jetzt wird es aber erst richtig merkwürdig: Warum wird landwirtschaftliche Nutzfläche so leicht in Bauland umgewidmet? Im Gemeinderat gibt es einen Block aus vier Räten, die seit Jahren alle anderen überstimmen und dem Investor den Weg ebnen. Wie kann es sein, dass dem Dorf Wohnraum fehlt, obwohl die Einwohnerzahl seit Jahren sinkt? Könnte das damit zu tun haben, dass immer mehr Wohnungen in Ferienwohnungen umgewidmet werden? Dass die Neubauten auf der grünen Wiese erschwinglichen Wohnraum für Einheimische bieten werden, ist zweifelhaft.

Warum hat die Gemeinde im Übrigen so einen ausgesprochen schlechten Deal gemacht beim Parkhaus-Neubau? Warum wird ein geplantes Wellnesshotel im Genehmigungsverfahren als Klinik verkauft? «Wem gehört mein Dorf?» ist keine investigative Recherche, deswegen bleibt die Frage offen, ob Dummheit oder krumme Geschäfte hinter allem stecken. Die Doku nimmt stattdessen die Perspektive der aufgebrachten Bürger*innen ein, die nun zur Gemeinderatswahl antreten und ganz Göhren mobilisieren. Der Wahlkampf wird heiß. Große Politik kocht in dem kleinen Ort hoch, in dem sich seit der Schulzeit alle duzen.

Der Film ist auch eine Abrechnung mit der alten Ausrede, die Ostdeutschen seien von der Einführung der freien Marktwirtschaft überrumpelt worden, man hätte ja nicht so schnell glauben können, wozu Spekulanten fähig sind. Denn Göhrens Gemeinderat ist voller Unternehmer, und die dürften auch vor der Wende schon mit Plus und Minus gerechnet haben. Im Gegenteil zeigt «Wem gehört mein Dorf?» optimistisch und gut gelaunt, dass Demokratie auch im Kleinen sehr mächtig sein kann und dass es nie zu spät ist, sich ins Zeug zu legen, wenn etwas gewaltig schiefläuft.


Wem gehört mein Dorf?

Deutschland 2021. Christoph Eder (Regie).

Stream. Online verfügbar unter https://www.dokfest-muenchen.de/films/view/23859


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