đŸ›ïžAusstellung «Mykene» im Badischen Landesmuseum Karlsruhe

Hat wieder niemand mitgeschrieben?

«Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon» heißt die aktuelle Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, die noch bis 2. Juni lĂ€uft. Mykene ist das alte Griechenland, aber noch bevor es das war, was wir uns unter dem Alten Griechenland vorstellen.
.

Wo liegt nochmal Mykene? ‚Mykene‘ nennen wir die erste Hochkultur auf dem europĂ€ischen Festland. In der Bronzezeit entstand im heutigen Griechenland eine Zivilisation, die PalĂ€ste baute und SchĂ€tze schmiedete, Handel trieb und eine Vorform des Griechischen sprach. Sie hatte aber noch nicht viel von dem, was wir uns unter den „Alten Griechen“ vorstellen – vor allem nicht die griechische Schrift. Aus der Zeit Mykenes stammen die Geschichten ĂŒber Göttinnen und Helden, die gute 500 Jahre spĂ€ter Homer aufschrieb.

Mykene – Die sagenhafte Welt des Agamemnon

Sonderausstellung vom 1. Dezember 2018 bis 2. Juni 2019

Badisches Landesmuseum
Schloss Karlsruhe
76131 Karlsruhe

landesmuseum.de

Dokumentar-Ausstellung

Eine Begleitausstellung mit dem Titel «Gestohlene Vergangenheit – verlorene Zukunft» behandelt die illegale Ausfuhr von Kunst- und KulturgĂŒtern aus den StĂ€tten der europĂ€ischen Antike.

Katalog

Der wissenschaftliche Begleitband ist bei wbg Philipp von Zabern in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienen.
400 Seiten
39,95 €


Seine Helden haben Mykene nicht vor dem Untergang bewahrt. Um 1.200 vor unserer Zeitrechnung brannten alle mykenischen PalÀste nieder und anscheinend verlernten die Vorfahren der Griechen, wie man Schrift benutzt. Erst ein halbes Jahrtausend spÀter haben sie das Schreiben wieder gelernt.

Das Badische Landesmuseum Karlsruhe sortiert in seiner Sonderausstellung unser Wissens ĂŒber Mykene und zeigt ĂŒber 400 Objekte, die Jahrtausende alt sind. Bis heute werden SchĂ€tze aus neuen Grabungen und Nachgrabungen gehoben, die opulent, kunstvoll und wunderbar erhalten sind. Das absolute Fotoverbot in der Ausstellung wirkt unzeitgemĂ€ĂŸ, aber offenbar sind die Exponate besonders sensibel. DafĂŒr spricht auch, dass wir am Einlass sogar unseren Kugelschreiber abgeben mĂŒssen.

Von Dauer sind nur die GrÀber

An ihrem Anfang bewohnten die Mykener einfache Siedlungen mit HĂŒtten aus Holz und Fellen. Selbst die Elite aus JĂ€gern und Kriegern baute ohne Steine. Das Haltbarste, das Mykene hinterlassen hat, sind GrĂ€ber. GefĂŒhlt die meisten Vitrinen in der Karlsruher Ausstellung zeigen darum die SchĂ€tze aus einzelnen Beisetzungen – Goldschmuck, Bronze- und TongefĂ€ĂŸe, Siegel aus Glas und Edelstein.

Über Weltbild, Religion, Alltagsleben oder Politik in Mykene wissen wir so wenig, dass eine Gliederung der Ausstellung in diese Kapitel keinen Sinn gemacht hĂ€tte. Stattdessen ist die Schau chronologisch unterteilt. Sie gliedert die ausgestellten Objekte grob in SchachtgrĂ€berzeit, Palastzeit und Endzeit.

Eine zweite Ebene stellt die Entdeckungs- und Ausgrabungsgeschichte Mykenes ab Heinrich Schliemann vor. Das Badische Landesmuseum sammelt seit den AnfĂ€ngen der wissenschaftlichen ArchĂ€ologie im 19. Jahrhundert mykenische Funde und spielt heute eine wichtige Rolle in der Diskussion um die RĂŒckgabe von KunstschĂ€tzen an ihre HerkunftslĂ€nder. In der gesamten Mykene-Ausstellung begegnen wir an Audio-Stationen Schliemann, seinem griechischen Pendant Panagiotis Stamatakis oder zum Beispiel Michael Ventris, dem Entzifferer der Linear-B-Schrift. Sie berichten in der Ichform von ihren Erlebnissen. Die Sprecher der Audio-BeitrĂ€ge sind Deutsch-Muttersprachler mit albernen Akzenten und der Intonation eines Zirkusdirektors. So begrĂŒĂŸt uns Panagiotis: „Kalimera, sehr verehrte Damen und Herren“, als wollte er gefĂ€lschte Rolex-Uhren verkaufen und der Mecklenburger Schliemann spricht das Renterschlesisch von Lothar Dombrowski. Das ist leider so fremdschĂ€mig, dass wir kaum zuhören können. Seriös ist dagegen der Audioguide, der in zwei Dutzend BeitrĂ€gen die Texttafeln ergĂ€nzt und ausgewĂ€hlte Exponate genauer einordnet, ohne eine vollstĂ€ndige FĂŒhrung durch die Ausstellung zu sein.

Die Ausstellung endet mit einem echten Cliffhanger: FĂŒnf ErklĂ€rungen stehen in der aktuellen Forschung im Raum, warum die mykenische Kultur im 12. Jahrhundert v. u. Z. so plötzlich untergegangen ist und sich in die Dark Ages oder Dunklen Jahrhunderte verabschiedete. Die schriftlichen Aufzeichnungen brechen urplötzlich ab und es dauert Jahrhunderte, bis die Griechen uns wieder Schrift ĂŒberliefern. Im letzten Raum des Rundgangs können wir uns eine Meinung bilden, welche Hypothese wir fĂŒr die beste halten: Invasionen? Naturkatastrophen? Revolution? Mag sein, dass das Badische Landesmuseum uns einen versteckten Hinweis gegeben hat. Vielleicht mussten die Mykener ganz einfach am Eingang ihre Stifte abgeben.


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